Die zehn spannendsten Neuheite…


Mit spektakulären Neuheiten wie der BMW R 18 wollte die Motorradbranche 2020 weiter Gas geben. Dann kam die Pandemie.

Es hätte alles so schön sein können: Die Zweiradbranche segelt auf den Schwingen des Erfolgsjahres 2019 (Gesamtmarkt plus 6,5 Prozent) ins neue Jahrzehnt. Legt auch in den ersten zwei Monaten 2020 um fast 19 Prozent zu. Und schmiert dann – den sicher geglaubten Hype um die für Autofahrer geöffnete 125er-Klasse vor Augen – jäh ab.

Ausgebremst vom Coronavirus und der Pandemie-Quarantäne, die mitten hineinplatzt in die sensibelste Phase des gesamten Motorradjahres: die Frühlingsmonate März und April. Die Zeit, in der alle Händler und Hersteller die Saisoneröffnung feiern: Mit großen Probefahrt-Happenings, mit allen neuen Modellen. Und mit den ersten warmen Sonnenstrahlen als nicht zu toppendem Anheizer und Kauf-Appetizer. 2019 wurden in diesen beiden Monaten zusammen gut 52.000 motorisierte Zweiräder verkauft – fast jede dritte Neuzulassung. Im Gesamtjahr waren es 162.311 neue Motorräder und Roller.

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Fahrverbote und frustrierte Kunden

Und heute? Es gibt Kontaktverbote und Shutdown. Lieferketten sind unterbrochen, Zulassungsstellen weitgehend geschlossen. Und strenge Auflagen wurden eingeführt. In Bayern sind Motorradtouren bereits offiziell untersagt. Gleiches gilt in Nachbarländern wie Belgien und Frankreich. Wer heute noch aus Spaß über Landstraßen und Serpentinen brettert, riskiert Ärger, Bußgeld und soziale Ächtung. Nicht auszudenken, wenn jemand schwer stürzt im vermeintlich selbstsüchtigen Geschwindigkeitswahn und dadurch Covid-19-Patienten das Kranken- oder gar Intensivbett streitig macht.

„Der April wird ganz schwierig“, befürchtet Christoph Gatzweiler, Technik- und Zahlenexperte beim Industrie-Verband Motorrad (IVM). Ersten Schätzungen zufolge hat der Markt bereits im März um 20 Prozent nachgegeben. Im April dürfte das Zulassungsminus noch weit höher ausfallen. Und das bedeutet: Saison-GAU für die Händlerzunft, die überwiegend aus kleinen Betrieben ohne große Kapitaldecke besteht. Die Werkstätten dürfen sie zwar öffnen. So reißt der Kontakt zur Kundschaft nicht gänzlich ab. Die Musik aber spielt traditionell beim Verkauf: Teile, Zubehör, Lifestyle-Artikel, neue Helme und Klamotten – und natürlich die Maschinen.

Stillstand zur Saisoneröffnung

„Der Frühling begann so erfolgversprechend“, sagt IVM-Präsident Henning Putzke. „Die neue Einschlussmöglichkeit der Fahrerlaubnis A1 für Leichtkraftroller und -räder mit 125 cm³ in den Autoführerschein B soll günstige und verbrauchsarme Mobilität schaffen, nun ist aus reinen Vernunftgründen zunächst Stillstand angesagt. Die Covid-19-Pandemie ist eine enorme Belastung, die Gesundheit der Bürger und die globale wirtschaftliche Stabilität ist bedroht.“ Und das gilt wohl auf längere Sicht.

Marktführer BMW Motorrad und Durchstarter KTM haben bereits ihre Teilnahme an den im Herbst stattfindenden Leitmessen Intermot (Oktober 2020, Köln) und Eicma (November, Mailand) abgesagt. Weitere Global Player werden folgen. Sparen ist angesagt in der Heiße-Öfen-Zunft. Alle europäischen Werke sind dicht oder im Notbetrieb. Ducati, KTM und BMW haben ihre jüngsten Modell-Präsentationen ins Internet verlegt. Livecam statt Party-Happening. Das betrifft auch die neue BMW R 18, für viele das Bike der Saison 2020.

Glamour der frühen Jahre

Eigentlich sollte der hubraumstärkste Boxermotor in der Geschichte von BMW Motorrad am 3. April in Austin (US-Bundesstaat Texas) im Zuge der angesagten Messe „The Handbuilt Motorcycle Show“ enthüllt werden. Ansteckungsgefahr und Einreiseverbot ließen die handverlesene Mediensause platzen. Das gleiche Schicksal ereilte den MotoGP-Weltmeisterschaftslauf auf dem nahegelegenen Circuit of the Americas.

Dem Glamour des neuen BMW-Vorzeige-Bikes tut das keinen Abbruch. Mit der ultralässigen, nostalgisch anmutenden R 18 steigen die Münchener ins absatzstarke Cruiser-Segment ein – traditionell die Domäne von Harley-Davidson. Technisch und optisch nimmt der „Big Boxer“ (1,8 Liter Hubraum) Anleihen an historischen Modellen wie der BMW R 5 von 1936. Bis in die 50er Jahre war das schlanke schwarze Bike mit Tropfentank und Doppelschleifenrahmen richtungsweisend für den Motorradbau der Bayrischen Motorenwerke. Bestes Beispiel der erfolgreichen Transformation in die Moderne ist die offen laufende Kardanwelle, die das Hinterrad antreibt. Heute ist sie ein Alleinstellungsmerkmal – und ein echter Designcoup.

Bäriges Drehmoment und „Good Vibrations“

Der ausladende, luftgekühlte Zweizylindermotor sieht aus, als könnten drei Mann ihn nicht heben. Bauraumfüllend leistet er 91 PS (67 kW) bei 4.750 Umdrehungen pro Minute. Das maximale Drehmoment beträgt bärige 158 Newtonmeter bei 3.000 Touren. Schon ab 2.000 U/min liegen über 150 Nm an. Ein echtes Pfund. Für den adäquaten satten Sound sorgen zwei Endlos-Auspuffrohre im Art-Deco-Stil. Die Standrohre der vorderen Teleskopgabel sind wie bei der alten BMW R 5 mit sogenannten Gabelhülsen verkleidet. Das lässt sie bulliger aussehen und unterstreicht die barocke Gesamtanmutung.

Auf die heute üblichen elektronischen Federelemente hat BMW zugunsten von „Good Vibrations“ verzichtet. Das Starrahmenkonzept der historischen Vorbilder hat das Team um Designchef Edgar Heinrich und Josef Miritsch, Leiter Projekt Heritage, mittels Zweiarmschwinge und einem versteckten Federbein in Cantilever-Anordnung in die Neuzeit übertragen. Die Füße ruhen BMW-Boxer-typisch vor den dicken Zylindern, die rechts und links wie ein Rammbock lenkerbreit in den Wind ragen. Armdicke Chromauspuffrohre glänzen mit dem Motorgehäusedeckel der „First Edition“ um die Wette. BMW taufte den austauschbaren Hingucker augenzwinkernd „Heldenbrust“.

22.800 Euro begehrt BMW Motorrad fürs Editionsmodell (u.a. schwarzer Tank mit weißer Doppellinierung, viel Chrom). Der Corona-Sog dürfte dem Leuchtturm-Bike erspart bleiben: Markteinführung ist im Herbst 2020. Dann kann – und sollte – die Motorradwelt schon wieder ganz anders aussehen.

Unsere Fotoshow zeigt die neue BMW R 18 und weitere Motorrad-Highlights der neuen Saison.



T-Online

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